Die Legende vom Kesselgrund, Saure Eier und ein Unterkiefer

Bei uns war Karfreitag die Gelegenheit, mal wieder die Familie zu besuchen. Angestiftet hat das der Vater, der zu sauren Eiern eingeladen hat. Das ist bei uns das familieninterne Lieblingsessen, das die meisten der „Neuen“ nach kurzem Fremdeln auch sehr gern essen. Die Optik ist ziemlich unterirdisch, zudem verbietet meine Mutter diese ganze Fotografiererei in ihrer Küche. Ich schreibe trotzdem mal auf, wie man das zubereitet und Zorra und Ole müssen überlegen, ob das bei Essen voller Erinnerungen mitmachen darf.

Zuerst gab es diesmal Gläserklimpern auf einen nachträglichen Geburtstag. Das ist ganz hervorragend, denn die Eltern haben da einen feinen Fundus, außerdem läuft das Kochen so noch alberner.

Schritt zwei ist das Schälen der Kartoffeln, wir brauchen ganz viele (es wird immer zu viel, aber das muss so), die gekocht und zu Kartoffelbrei verarbeitet werden. Nicht zu fein, aber mit Milch, Salz, etwas Butter und eventuell einem Hauch Majoran.

Das mit den Eiern ist spannender, zuerst muss der Vater Speck* schneiden. Je nach Albernheitsgrad singen die anderen diesen Vers „Meine Mutter schneidet Speck, schneidet sich den Finger weg“. Alle Finger waren noch dran, der Speck wird angebraten und die Mutter fabriziert eine gute Mehlschwitze. Ich war fürs Rühren abgestellt.

Nachdem die Mehlschwitze hochgekocht ist, wird gewürzt – und zwar kräftig mit Senf** (mittelscharf), Spritessig, Salz und Zucker. Da muss richtig viel ran, eigentlich schmeckt es anfangs etwas überwürzt. Zum Spiel gehört dazu, dass wir im Feintuning rundum kosten und immer „mehr Essig“, „etwas Mostrich“, „mehr Zucker“, „noch Salz“, anordnen bis die Mutter streng sagt: genuch jetzt, raus hier!

Das ist für uns das Zeichen zum Tischdecken, während die Mutter die Eier*** lose in die Soße rutschen lässt. Die Hitze unterm dem Topf muss natürlich runtergedreht sein. Ja, die Eier garen in der Soße und man darf nur ganz vorsichtig rühren und es sieht „schlimm“ aus. Die Variante aus der Schulspeisung oder egal welches Rezept „Senfeier“ man im Internet findet sieht hübscher aus, da sind die Eier vorher gekocht, aber das kommt geschmacklich niemalsnicht an unsere Variante heran.

Auf den (tiefen) Teller gibt es zuerst eine Kelle Kartoffelbrei, in die oben ein Krater gedrückt wird. Der Ingenieur hat es einmal anders probiert, musste aber zugeben, dass die Kratermethode wirklich besser ist. In diesen Krater gibt es dann ein Ei und richtig viel Soße. Gegessen wird vorzugsweise mit dem großen Löffel.

Ich kann euch sagen, wir hatten so große Portionen, dass uns nach dem Essen regelrecht die Bäuche herunterhingen. Aus diesem Grund (und weil die Gemeinde da Solaranlagen aufbauen will) haben wir anschließend einen Ausflug zum Kesselgrund gemacht. Da waren wir als Kinder schon, das war immer ein Abenteuer (so mit Picknick in der Tasche).

Mit dicker Jacke und Mützen auf dem Kopf sind wird also losgestapft. Unterwegs fanden sich wilder Schnittlauch, ein besonderer Stein und der Unterkiefer eines Wildschweins. Die Nichte musste das alles einsammeln. Ich habe keine Ahnung, was sie damit vorhat. Aber immerhin gibt es so wenigstens ein paar Fotos für diesen Beitrag. Und Gelegenheit fürs Füßehochlegen gab es auch.

Der Sage nach war an der Stelle früher eine Turmhügelburg mit einer Kapelle, die im dreißigjährigen Krieg vom schwedischen Heer zerstört worden ist. Und wie das so ist, geht seitdem das Gerücht, dass dort unten noch ein Schatz verborgen ist. Das Problem: um diesen zu bergen, braucht man sieben Personen, die Hans heißen. Und es darf während der Schatzhebung nicht gesprochen werden. Lange hat man gesucht, irgendwann war es dann endlich soweit und die Niedergörsdorfer hatten sechs Hänse zusammen. Um auf die benötigte Zahl zu kommen, kam ein Hans aus Kaltenborn dazu. Man grub und zog und wirklich gab es da den Schatz. Nur ganz kurz bevor der Schatz richtig gehoben war, rief der Kaltenborner etwas. Vermutlich „Hauruck“, „da isser ja“ oder „greif man ordentlich zu“. Tja, und so versank der Schatz wieder in der Tiefe. Wie es sich für eine solche Geschichte gehört mit Rabautz und Teufelslachen und seitdem spukt es gelegentlich am Kesselgrund.

Und weil Wochenende ist, schicken wir Grüße in ein Fachwerkhaus im Grünen.

* Das ist eines der Rezepte, wo Speck einfach hineingehört. Auf dem Teller räume ich den dann raus bzw. werfe ihn auf den Nachbarteller – der Vorteil vom Essen in der Familie.

** regional bedingt heißt der bei uns Mostrich und verwendet wird der Bautzner mit dem blauen Deckel.

*** je nachdem, wo man die Eier kauft und nach persönlicher Erfahrung, werden die direkt in die Soße geschlagen oder machen einzeln einen Umweg über eine Tasse. Die Schwester musste mal einen ganzen Topf wegkippen, da das letzte Ei schlecht war.

14 Gedanken zu “Die Legende vom Kesselgrund, Saure Eier und ein Unterkiefer

  1. Als Eier in Senfsosse kenne ich das auch; sogar mein Mann mag das. Aber wie du schon sagst, die Eier sind dann gekocht. Ich giesse auch nicht extra Essig in die Sosse und lasse den Spreck weg. Vegetarier oder nicht, ich mag keinen Spreck, Kindheitstrauma …
    Nächstes Mal probiere ich eure Direktmethode, hört sich interessant an. Wenn man die Eier so quasi pochiert, ist das Eigelb höchstwahrscheinlich noch weich.
    P.S.: Die Kratermethode ist die beste, finde ich.

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  2. Ich finde dies eine sehr schöne Erinnerung, die – noch besser! – auch heute noch in der Familienrunde fortbesteht.
    Manche Gerichte dieser Art sind optisch tatsächlich nicht präsentabel, aber gleichwohl wunderbar. Wir vermengten z.B. klein geschnittenen Endiviensalat mit Kartoffelbrei: ebenfalls nicht herzeigbar!
    Krater im Kartoffelpüree sind auch bei uns stets willkommen, sei es mit einem Braten oder Rouladen: in der Schweiz nennen wir das «Seeli».

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  3. Ich kenne das Rezept als „Porschierte Eier in Süss-saurer Senfsosse“. Könnte ich eigentlich mal wieder machen 😋
    Das letzte ist ewig her. S mochte das nicht.
    🌈😘😎

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  4. Senfeier gab es früher hin und wieder auch bei meinen Eltern, und ich mochte sie, aber eure Senfeier scheinen wirklich besonders zu sein. Alleine schon die Zubereitung hört sich richtig gut an.
    Der Schatz wird wohl für immer vergraben bleiben, wo soll man heute noch sieben Männer finden, die Hans heißen?
    Ich wünsche Dir einen wundervollen Sonntag.

    Viele liebe Grüße
    Wolfgang

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